La Palma: Nacht vom 27/28.8.2003

Instrumentarium: - Meade 10" LX200 SCT,  8" LX200 SCT, Meade 5" f/9 APO, Zeiss 63/420 Refraktor, 10x50 Bino
                                 
Beobachtungsort:
Roque de los Muchachos/ La Palma auf 28°30' n.B - ~2300m Meereshöhe

Beobachter: Matthias Juchert, Ralf Hofner und weitere...

Bedingungen: Der Himmel auf dem Roque de los Muchachos zählt zu den besten der Welt. Am Tag erscheint das Firmament in einem tiefen Blau, und wenn man die Sonne mit dem Finger verdeckt, sieht man keinen Halo! Das tiefe Blau beginnt quasi direkt neben der Sonnenscheibe! Die Luftfeuchtigkeit ist extrem niedrig.. Die Lippen trocknen sofort aus. Trotzdem hat man fast keinen Durst! Das große Problem am Roque ist der kräftige Wind, der die ansonsten recht milden Temperaturen, während der Beobachtung nahezu unerträglich werden ließ. Eine Beobachtung bei sehr hoher Vergrößerung (z.B. für Planeten, Doppelsterne) war trotz der kräftigen Montierung, und der Beobachtung im Windschatten unserer Autos kaum möglich. Das große Plus am Roque, und auf La Palma generell, ist die unglaubliche Transparenz. Aber selbst hier im Hochgebirge ist die Nacht nicht absolut schwarz. Der Boden ist schwach von einem sanften Licht aufgehellt, das eigentlich nur von der Milchstraße stammen kann. Aber insgesamt kam es mir auch nicht viel dunkler vor, als an den meinen besten bisherigen Beobachtungsplätzen. Bis auf die, an diesem Abend doch recht stark frequentiere Straße zum Observatorium (viele der Bediensteten fuhren mit Fernlicht!), zeigten sich  von unserem Beobachtungsplatz, etwas unterhalb des Gipfels, keine künstlichen Lichtglocken. Der Airglow macht sich als mattgraues Band am Horizont sichrbar. Die Milchstraße ist bis zum Sternbild Norma herunter zu verfolgen, und voller kräftiger Struktur. Meine sonst eher schwachen Referenzsterne in Ursa Minor mit 6m7 sind einfach zu sehen. Ich schätze den Himmel im Zenit auf fst: ~7m4(!). Die Anzahl der Deep-Sky-Objekte für das bloße Auge ist sagenhaft.


Beobachtung:

Zeit: 19.00 Uhr - 00.30 Uhr UT

Beobachten auf dem Roque ist schon ein Kapitel für sich. Die scheinbar nie enden wollende Auffahrt, stellt mit ihren deftigen Steigungsprozenten bereits als erste Hürde dar. Dafür wird man aber mehr als reich belohnt. Der Blick vom Gipfel über die gesamte Insel, den Atlantik und die Inseln Teneriffa (mit dem deutlich sichtbaren Pico de Teide), Gomera und Hierro ist einfach atemberaubend. Da die Beobachtung auf dem Parkplatz am Gipfel wegen des starken Windes an diesem Tag nicht sinnvoll war, haben wir einen Platz nahe der Straße zum Observatorium gewählt. Der Sonnenuntergang ist schon eine wahre Pracht. Wir hatten den Eindruck, das die Sonne nicht am Horizont untergeht, sondern schon vorher, quasi "in der Erde" versinkt. 

Abenddämmerung auf dem Roque

Schon bald nach Sonnenuntergang waren die erste Sterne zu erkennen, und die Beobachtung konnte beginnen. Mein erstes Beobachtungsobjekt hatte ich am Vortag bereits erstmals mit bloßem Auge gesehen - ich hatte mich schon sehr lange auf den Anblick gefreut.

NGC 6231 (Oc) (Sco) 2,6mag(!)

Bloßes Auge: Wirklich einer der hellsten Sternhaufen. Er erscheint dem bloßen Auge als heller, flächiger Nebelknoten nördlich des hellen Dreigestirns um Zeta Scorpius, und ist sogar schon in der Dämmerung freisichtig erkennbar!

10x50: Im Fernglas bei 10x bietet sich ein schöner Anblick. Die hellsten 7-8 Sterne funkeln beeindruckend. Ihre Anordnung erinnert an einen kleinen Hund. Mit indirektem Sehen funkeln noch weitere Sterne durch - insgesamt sind knapp 15 Sterne sichtbar.

10": Bei mittlerer Vergrößerung ist das Gesichtsfeld mit über 40 Sternen gefüllt, wobei nun auch der schwache Milchstraßenhintergrund auffällt. Allerdings lässt der Kontrast der schwachen Haufensterne nun merklich nach - nur die sehr hellen 5m-Sterne strahlen in unvergleichlicher Pracht.

NGC 6124 (Oc) (Sco) 5,8mag

Bloßes Auge: Da dieser helle Sternhaufen bereits in der Abenddämmerung den Meridian überschritten hatte, stand er schon sehr tief, und war kaum noch mit bloßem Auge zu erkennen. In einer Mai oder Juni-Nacht, sollte das vom Roque aber machbar sein.

10": Bei 81x ist der Sternhaufen bereits größer, als das Gesichtsfeld, und bietet einen kaum reizvollen Anblick. In Feld befinden sich viele Sterne aller Helligkeiten, in geringer Verdichtung. Zum Zentrum steigt die Sterndichte nur mäßig an.

*Dann nächsten Kandidaten konnte ich gerade noch vor seinem verschwinden hinter einer Bergkante erhaschen.*

NGC 5927 (Gc) (Lup) 8,3mag

10": Dieses Objekt zählt zu den Entdeckungen von Dunlop (= Dunlop 389). Es erscheint als heller, recht großer Nebel, mit deutlich hellerem Zentrum. Insgesamt waren die schwachen Mitgliedssterne auch bei indirektem Sehen nicht aufzulösen - der Haufen bleibt nebulös bis körnig.

NGC 5986 (Gc) (Lup) 7,6mag

10": Diesen Haufen konnte ich schon von Beobachtungen im Bayrischen Wald. Hier ist der Haufen bereits bei 81x deutlich am Rand aufgelöst. Vereinzelt blitzen auch im Zentrum einige Sterne hervor. Von der Größe her ähnelt er NGC 5927, jedoch zeigt sich hier ein helleres, und konzentriertes Zentrum.

Die Südliche Krone

NGC 6726/NGC 6727 (RNeb) (CrA)

2,5": Der Nebel ist bei 13x nur schwach indirekt um die beiden Sterne herum wahrnehmbar. Das Umfeld mit dem hellen Nebelball NGC 6723 und den Dunkelnebeln Be 157 und SL 42 beeindruckt jedoch sehr.

10": Ein aufregendes Nebelfeld in einer stark von Dunkelwolken gezeichneten Region. Der Nebel ist deutlich, hell, und umgibt 2 Sterne. Auf den ersten Blick ist die Vergabe der 2 NGC-Nummern nachvollziehbar. NGC 6726 ist der südwestliche Teil der beiden Nebel. Er umgibt einen hellen 7m-Stern, und zeigt eine schwache Extension nach Osten. NGC 6727 umgibt den nur etwa 1' nördlich davon stehenden Veränderlichen TY CrA, und erscheint von der Größe und der Helligkeit her, beinahe mit NGC 6726 identisch. Die beiden Nebelteile gehen deutlich ineinander über, ohne das die jeweiligen Konturen verschwimmen. Zusätzlich befindet sich im Feld noch der Reflexionsnebel NGC 6729 sowie die Doppelstern BSO 14.

NGC 6729 (RNeb) (CrA)

10": Ein interessanter kleiner Reflexionsnebel. Bei 81x ähnelt er sehr einem Kometen mit deutlicher NW-SO-Elongation. Am nordwestlichen Ende befindet sich der Stern R Coronae Australis, der quasi den "Kopf" des Kometen bildet. Am Südost-Ende befindet sich ein weiterer schwacher Stern - der Veränderliche T Coronae Australis.

Zeichnung von NGC 6726-7 + NGC 6729 am 10" SCT bei 81x - © by M.Juchert

BSO 14 (DS) (CrA) 12,8"

10": Einfach zu trennen, bei 81x. Die beiden Sterne zeigen fast identische Helligkeiten. Der Positionswinkel beträgt ca. 270°.

*Direkt nördlich dieses Komplexes, befindet sich im Sternbild Schütze noch ein heller Kugelsternhaufen.*

NGC 6723 (GC) (Sgr) 7,3mag

2,5": Befindet sich nördlich einiger hellerer Sterne, und ist bereits bei 13x einfach als recht großer, heller Nebelball mit hellem Zentrum erkennbar. Bei 34x wirkt er indirekt schon körnig, verbleibt jedoch unaufgelöst.

10": Der Kugelsternhaufen erscheint sehr hell und sehr groß. Er ist bereits bei 81x bis ins Zentrum aufgelöst. Ein interessantes Detail ist ein Arm schwacher Sterne, der sich vom Südteil des Haufens nach Westen, in den äußeren Halo zieht. Nur knapp 1' nordöstlich des Halos befindet sich ein deutlicher 10m5-Stern.

NGC 6541 (GC) (CrA) 6,6mag

2,5": Bei 13x ist der Haufen einfach als deutlicher Nebelball mit sehr hellem Zentrum sichtbar. Ein heller 5m7-Stern befindet sich in markantem Kontrast mit im Feld.

10": Nicolò Cacciatore entdeckte diesen Kugelsternhaufen am 19.3.1826 von Palermo. Mit 10" erscheint er sehr hell und ziemlich groß. Bei 81x sind die Randgebiete deutlich aufgelöst, und mit indirektem Sehen zeigen sich unzählige schwache Sonnen. Das Zentrum ist so stark konzentriert, das die Einzelsterne zu einem Meer aus Licht verschwimmen. Der Zentralbereich ist deutlich abgegrenzt, und zeigt eine auffällige Trapez oder Dreiecksform mit der schmaleren Seite im Westen. Im Südosten befindet sich eine kleine Ballung hellerer Haufensterne, von der aus sich eine schwache Sternkette nach Süden aus dem Haufen heraus zieht.

NGC 6496 (GC) (Sco) 9,2mag

10": Dieser Kugelsternhaufen erscheint zwar hell, aber ziemlich diffus. Das Zentrum erscheint recht hell, jedoch hebt es sich nur mittelmäßig vom Halo hervor. Nur wenige Sterne blitzen mit indirektem Sehen aus dem Nebel hervor. Markant sind jedoch 2 Anordnungen von Sternen - jeweils zur Ostseite und zur Westseite des Zentrums. Diese erwecken zusammen mit schwachen Feldsternen, und einigen aufgelösten Haufenmitgliedern den Eindruck, als wenn eine Sternkette durch das Haufenzentrum läuft.

NGC 6388 (GC) (Sco) 6,9mag

2,5": Mit 13x ist ein sehr heller, aber auch ziemlich kleiner Nebelfleck deutlich zu erkennen. Im einem kleinen Fernglas sollte er fast stellar erscheinen.

10": Ein ungewöhnlicher Kugelsternhaufen. Er erscheint sehr, sehr hell und recht groß. Die Helligkeit nimmt sehr stark zum Zentrum hin zu. Nördlich und südlich im Halo befinden sich einige Vordergrundsterne. Der Haufen selbst ist auch bei mittleren Vergrößerung nicht aufgelöst. Selbst die sonst bei unaufgelösten Haufen zu findende Körnigkeit, ist kaum sichtbar. Er verbleibt nahezu nebulös. 

NGC 6302 (GC) (Sco) 9,6mag

10": Entdeckt von Dunlop, aber übersehen von John Herschel - sehr verwunderlich! Der Nebel erscheint bei 81x sehr hell, recht klein, und insgesamt wie eine kleine Galaxie mit hellem Zentrum. Mit indirektem Sehen sind Strukturen erkennbar. Bei 162x verbessert sich der Anblick erheblich. Insgesamt ist der Nebel deutlich länglich. Der zentrale Teil ist sehr hell, und zeigt eine einfach sichtbare Dunkelteilung. Nach Osten und Westen hin erweitern sich schwache Nebelausläufer. Mit indirektem Sehen sind sie voller interessanter Struktur. Ein langes Filament zieht sich auffällig nach Osten und knickt dann nach Süden ab. Nach Westen ist ein weiteres, etwas kürzeres Filament erkennbar, das sich etwas nach Norden biegt. Als ich mit meiner Zeichnung fertig bin, habe ich - mit etwas Abstand betrachtet - tatsächlich ein Insekt vor mir! Je nachdem, welche Konturen man betont, sieht man eher einen verzerrten Schmetterling, oder eine Biene die nach Westen fliegt. (Anm.: Beobachtung leider ohne UHC) 

Zeichnung von NGC 6302 am 10" SCT bei 162x - © by M.Juchert

Deep-Sky mit bloßem Auge am Roque

Wenn man schon mal so guten Himmel, wie am Roque hat, lohnt es auf jeden Fall auch, die Gesamtheit des Himmels zu betrachten und zu genießen. Ich habe fast 1 Stunde einfach nur geschaut. Was da alles wieder zu sehen ist, habe ich mir gedacht, als ich die Milchstraße mit den Augen abgewandert bin. Ein Blick an den Nordhimmel hat mich umgehauen - trotz der noch relativ niedrigen Position stand M 31 da, wie mit einem Scheinwerfer angeleuchtet. In der Nähe sieht man bei einem genauen Blick auch M33 - einfach so. Sternhaufen wie NGC 752 und M34 sind ebenfalls leichte Beute. Doch noch faszinierender ist die Region im Schützen. M8 steht hell als länglicher Nebelbalken da. Mit dem Karkoschka habe ich einen richtigen Mini-Messier-Marathon gemacht - alles mit dem bloßen Auge. M11, M16 indirekt, M17, M22, M23, M24 und M25 sind zu erkennen. Der Skorpion ist dann der finale Hammer: M7 - brilliant. Der Haufen wirkt freisichtig fast heller, als das Zentrum der Milchstraße. M6 - hell und deutlich vor einer Dunkelwolke. NGC 6231 - hell und flächig. Der Haufen Trumpler 24 - ein riesiger Kometenschweif. Wenn man indirekt neben Antares schaut, sieht man einen großen, sanft glühenden Nebelfleck - M4! NGC 6281 ist vergleichsweise deutlich, aber am schon sehr tiefstehenden NGC 6124 beiße ich mir beinahe die Zähne aus. Über eine halbe Stunde zeichne ich an den Details der Scorpius-Milchstraße. 

Die Milchstraße im Scorpius mit bloßem Auge - © by M. Juchert

Zum Schluss habe ich noch einige Zeit am 8" die eingestellten Messier-Objekte mitbeobachtet. Bei M 20 konnte ich die Vierteilung schon ohne Filter wahrnehmen. M22 habe ich auch noch nie so schön gesehen - aufgelöst unzählige Sterne. M 55 war dann noch ein echter Wahnsinnsanblick - die ungewöhnliche Bucht, die in den Südwestteil hineinragt, habe ich noch nie wahrgenommen.

Dann sind wir wegen dem strengen Wind aufgebrochen. Die 65km Heimweg über steile Abfahrten in dunkler Nacht, habe ich nach diesen tollen Eindrücken ohne weiteres weggesteckt. Es war die erste schöne Nacht unter dem Südhimmel, doch es sollten noch weitere folgen...

Clear Skies
Matthias


Visual Deep Sky Observing and CCD-Imaging: www.Serifone.de